„Dankbarkeit ist eine Last, und eine Last will abgeschüttelt sein“ (Denis Diderot)
Auch so kann man es sehen- gerade wenn das Gefühl von "zu- Dank- verpflichtet- sein" entsteht.
Negative Gefühle ziehen oft Handlungen nach sich, klar, wir wollen dieses Gefühl schließlich los werden, positive Gefühle dagegen nehmen wir kurz wahr und dann verschwinden sie wieder. Aber worauf wollen wir die Lupe richten? Welche Geräusche wie ein guter Tontechniker herausfiltern, ohne dass der Gesamtklang stumpf wird?
Es kann schön sein und langfristig auch ein ganzes Lebensgefühl ändern, sich immer mal wieder ins Gedächtnis zu rufen, sich abends aufzuschreiben, wofür man dankbar war; Mutigere, die in Kontakt damit gehen wollen, schreiben vielleicht sogar einen Dankesbrief, schaffen Raum für dieses Gefühl; Innerlich weit werden, vielleicht den Dank sogar singen.
In der christlichen Tradition hat das Singen des Dankes natürlich eine sehr lange Tradition ( und damit vielleicht auch eine Abwehr)
„Danke für diesen guten Morgen, danke für diesen guten Tag“ erinnern vielleicht einige der kirchlich Geprägten. ich persönlich mochte an diesem Lied auf jeden Fall immer, dass jede Strophe damit endet "...und für die Musik"
Im Grunde genommen ist diese nichts anderes als eine heute in Psychotherapien eingesetzte Dankesliste. Meine endet auf jeden Fall auch immer wieder mit "...und für die Musik", aber von diesem kirchlichen Bezug entsteht vielleicht auch die Abwehr, das Gefühl, das könnte zu einfach sein. Auch steht dieses Öffnen, dieser Demut doch sehr den „Ich“ stärkenden Prozessen entgegen, die Klassischerweise in der Therapie und im westlichen Alltag oft gefördert werden.
Im asiatischen und Raum und Buddhismus dagegen hat Dankbarkeit eine sehr viel grössere und selbstverständliche Tradition. Es scheint scheint dort weniger Angst da zu sein, sich selber zu verlieren, in Abhängigkeiten zu geraten, sich nicht mehr definieren zu können, mehr zu sein als nur das „Ich“.
Wenn man sich den Boom von Achtsamkeitstrainings, Meditation, Buddhismus, überhaupt das ganze Interesse an den östlichen Philosophien anschaut, sieht man, dass auch wir eine Idee davon haben, wie wir von diesen Gemeinschaftlichem profitieren können, wenn der Focus vom „Ich“ zum „Wir“ geht, wo wir nicht mehr in der Einzelverantwortung und Steuerung von allem sind. Und Studien zeigen längst, dass wir durch Achtsamkeit und Dankbarkeit dem Stressempfinden und dem Gefühl von Einsamkeit sehr gut entgegenwirken können.
Da geht es vielleicht mehr um eine Dankbarkeit gegenüber eines grossen Ganzen und hilfreichen Recourcen- angefangen beim Erntedankfest bis hin zu grossen innerlichen Gefühlen zu.... was auch immer.
Vielleicht ist das Anerkennen nötig, das das Lebens von günstigen äusseren Faktoren und der Verbundenheit mit etwas Grösserem mitbestimmt wird. Wie gehe ich mit der existentiellen Tatsache um, in dieser Welt von vielen guten Voraussetzungen zu leben, die ich selber nicht geschaffen habe? Fällt es mir leicht, den Beitrag von anderen zu meinem guten Leben zu wertschätzen, zu sehen?
Ich glaube, dieses Phänomen spüren wir immer wieder auch beim Singen- die Anbindung an das Grössere- was auch immer das für mich bedeutet; da muss es noch nicht einmal ein spezifisches Dankeslied sein.
„Dankbare Menschen sind wie fruchtbare Felder. Sie geben das Empfangene zehnfach zurück“ (August von Kotzebue)
Sozialwissenschaftlich kann man sich das Dankesprinzip ein bisschen vorstellen wie einen gut funktionierenden Tauschring. Gabe und Gegengabe sind ersteinmal grundlegende Prinzipien gesellschaftlichen Zusammenlebens. Dankbarkeit ist sozusagen symbolische eine Gegenleistung, die emotionale Reaktion, die Austauschbeziehungen aufrechterhält, selbst wenn keine direkte Gegengabe möglich ist. Das schöne ist; es gibt nicht nur den eins-zu-eins Tausch und den „Kredit“, der dir dann zugeschrieben wird, sondern die Dankbarkeit selbst ist das stärkendste Bindemittel, stabilisiert die Beziehungen, ist eine wundervolle Brücke gegen die Zerfallserscheinungen einer Gesellschaft.
„Danke, danke, sei willkommen hier, Danke, Danke, Frieden sei mit Dir“ (Lied Wolfgang Bossinger)
So ein einfaches Lied, das so viel Verbindendes auf einfache Weise darstellt. Die Musik, das Singen, die Verbindung des Singens mit der Emotion und der Gemeinschaft, in der wir singen, macht es einfach- dieses ausfüllen, dieses organische „anwachsen lassen“ eines guten Gefühles.
„Dankbarkeit ist eine Last, und eine Last will abgeschüttelt sein“ (Denis Diderot)
Ich komme nochmal auf mein Anfangszitat zurück; und spannenden Korrelationen. Schwerer tun sich laut Studien Männer als Frauen und wenn wenn man schwierige frühe Bindungserfahrungen hat, fällt dieses Hereingeben in eine vielleicht „scheinbare“ Abhängigkeit schwer. Auf der anderen Seite korreliert das Gefühl- kann man es etablierenen- stark mit Lebenszufriedenheit, Hoffnung, Empathie, spiritueller Transzendenz und Verträglichkeit. Und Dank kann sich trotzdem natürlich auch schal oder übertreiben oder unangebracht anfühlen. Immer ist auch die Intention des Gebers wichtig; kann wirklich grosszügig gegeben werden, oder wird doch wieder eine bestimmte Reaktion erwartet, wie ist die Beziehung zwischen Gabe und Geber, hat das Danke vielleicht etwas hohles wie ein Tadel eines Onkels: „hast du auch Danke gesagt?“
Auch aus Steinen, die dir in den Weg gelegt werden, kannst du etwas Schönes bauen (Erich Kästner)
Können wir es schaffen, Dankbarkeit zu empfinden, ist es schon ein Baustein unser Resilienz, unserer Stabilität und Lebensqualität. Vielleicht können wir dann sogar Dankbarkeit gegenüber Herausforderungen entwickeln. Auch hier kenn wir diesen Aspekt aus der langen Tradition in östlichen Kulturen, aber in den westlichen Kulturen und Krisenbewältigungsstrategien gelingt es uns in manchen Momenten, sogar die ganz schwierigen Situation als die Wachstumschancen zu erkennen. Das Gefühl der Dankbarkeit ermöglicht hier zumindest eine Weite, einen Blickwinkelwechsel, und damit oft ja auch eine Öffnung , eine neuen Lösung, die sich nicht sofort am Horizont abzeichnen muss.
Wie immer geht es um Achtsamkeit, um Bewusstheit, Leute, holt die Lupe raus und schliesst den Verstärker an. Es gibt viel zu gewinnen
„im normalen Leben wird einem oft gar nicht bewusst, dass der Mensch überhaupt unendlich viel mehr empfängt, als er gibt, und dass die Dankbarkeit das Leben erst reich macht“ (Dietrich Bonhoeffer)